Ist Boreout eine Krankheit wie Burnout?
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Burnout-Erkrankungen, also Überlastungserscheinungen durch zu viel und zu lang anhaltenden Stress, sind mittlerweile den meisten Berufstätigen ein Begriff. Doch auch über das Gegenteil wird mehr und mehr gesprochen: das Boreout-Syndrom, ausgelöst durch Unterforderung und übermäßige Langeweile am Arbeitsplatz. Auf die Betroffenen soll sich Boreout ganz ähnlich auswirken wie Burnout, heißt es. Doch ist dieses neue Schlagwort nicht einfach nur ein modern klingender Ausdruck, der den Arbeitsalltag von Faulenzern beschönigt? Der Status als Krankheit ist umstritten.*
Monotone Aufgaben, ein eintöniger Arbeitsalltag, geringe oder gar keine Herausforderungen – dass dies keine Grundlagen für eine befriedigende und produktive Berufstätigkeit sind, wird niemand bestreiten. Wer zu viel Leerlauf am Arbeitsplatz erlebt, gerät leicht in eine Abwärtsspirale: So werden Aufgaben besonders langsam ausgeführt und die Arbeitszeit teilweise mühevoll mit nutzlosen Tätigkeiten gefüllt, um möglichst beschäftigt zu wirken. Schließlich möchte kaum jemand im Kollegenkreis als unterbeschäftigt gelten.
Täuschungsmanöver von Boreout-Kandidaten
Das Vortäuschen wichtiger Tätigkeiten ist ein typisches Warnzeichen, dass es sich bei dem unterforderten Arbeitnehmer um einen Boreout-Kandidaten handeln könnte. Eine weitere häufige Begleiterscheinung sind Unachtsamkeiten, die sich aufgrund der Langeweile einschleichen. In der Folge werden selbst die einfachsten Aufgaben nicht mehr fehlerfrei erledigt. Arbeitnehmer verbauen sich somit die Chance, durch die Übernahme anspruchsvollerer Tätigkeiten aus dieser Spirale auszubrechen.
Am häufigsten tritt das, was als Boreout bezeichnet wird, in Unternehmen mit starren und unflexiblen Strukturen auf. Wo es mehr auf die bloße Anwesenheit als auf das tatsächlich Geleistete ankommt, fühlt sich die Arbeit für manche Angestellten besonders sinnentleert an. Ein schlechter Führungsstil durch Vorgesetzte, die ihre Mitarbeiter nicht entsprechend fördern, trägt seinen Teil dazu bei.
Boreout als Krankheit schwierig zu verifizieren
Wie chronische Minderbelastung im Job und daraus entstehende persönliche Probleme zu bewerten sind, darüber herrscht Uneinigkeit in der medizinischen Fachwelt. Die Anerkennung von Boreout als tatsächliche Krankheit durch Gesundheitsorganisationen steht noch aus, viele Ärzte und Psychotherapeuten halten das Syndrom für eine Scheinerkrankung ohne echte Relevanz. Auslöser der Diskussionen um den Begriff war das 2007 erschienene Buch „Diagnose Boreout“ der Schweizer Autoren Philippe Rothlin und Peter R. Werder. Seitdem pendelt die Debatte hin und her, ob das Phänomen eine ernst zu nehmende Krankheit ist, das Gegenstück zum anerkannten Burnout, oder lediglich eine dramatisch klingende Bezeichnung für ganz normale Unterforderung. Die Umfragemethoden von Rothlin und Werder stießen bei Fachleuten teilweise auf Kritik; Zahlen zum Thema Boreout sind je nach Quelle mit Vorsicht zu genießen.
Ob Boreout eine echte Krankheit ist oder nicht, Unterforderung ist gerade in Zeiten fortschreitender Automatisierung ein nicht von der Hand zu weisendes Problem in der Berufswelt. Wer sich bei seiner Arbeitsstelle ständig langweilt, wird mehr als unzufrieden. Die Betroffenen klagen im Zusammenhang mit beruflicher Unterforderung über ganz ähnliche Symptome wie beim Burnout: Schlafstörungen, Depressionen, Rücken- und Kopfschmerzen oder psychosomatische Erkrankungen wie Magen-Darm-Beschwerden oder Anfälligkeit für Infekte sind in beiden Fällen Anzeichen, dass etwas nicht stimmt. Auch Alkohol- und Drogenmissbrauch treten häufig als Folge falscher beruflicher Auslastung auf. Wer unter starken Symptomen leidet, sollte in diesem Fall seinen Hausarzt aufsuchen. Dieser kann wie auch bei Burnout eine Krankschreibung ausstellen.
Egal ob zu viel oder zu wenig Arbeit, der Arbeitnehmer leidet zweifellos. Zwar ist in den vergangenen Jahren die absolute Zahl der Krankschreibungen gesunken; die Zahl derer, die wegen einer Depression – und somit oft langfristig ausfallen – steigt jedoch. Häufig kehren krankgeschriebene Arbeitnehmer mit psychischen Erkrankungen sogar überhaupt nicht mehr in ihren Beruf zurück.
Wege aus dem Boreout
Vorübergehende Langeweile am Arbeitsplatz ist völlig normal und nichts grundsätzlich Schlechtes, bringt sie doch Erholung zwischen stressigen Phasen mit sich und schafft Freiräume für kreative Ideen. Das Maß muss allerdings stimmen. Wer einmal in eine ernsthafte Boreout-Spirale geraten ist, sollte zusehen, schnell wieder herauszukommen.
Dazu ist zunächst einmal die Erkenntnis wichtig, dass man anhaltend unterfordert und unzufrieden ist. Ein Protokoll über eine Arbeitswoche kann dabei helfen. Welche Tätigkeiten führen Sie aus, wie viel Zeit wenden Sie tatsächlich dafür auf? Ist Ihr derzeitiges Aufgabenfeld tatsächlich so unterfordernd, dass Sie sich langweilen? Handelt es sich erkennbar um ein grundsätzliches Problem und nicht bloß um eine vorübergehende Phase?
Haben Sie das Problem identifiziert, sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten darüber, damit dieser Ihnen ansprechendere Tätigkeiten übertragen kann. Machen Sie am besten eigene, positiv formulierte Vorschläge, welche Aufgaben Sie übernehmen könnten. Zwei Strategien können aus dem Boreout herausführen:
- Job Enlargement: Sie erhalten zusätzliche Aufgaben auf einem ähnlichen Niveau wie bisher.
- Job Enrichment: Sie erhalten anspruchsvollere Aufgaben und neue Herausforderungen.
Sollte keiner dieser Wege infrage kommen, damit Sie sich bei Ihrer Arbeit nicht mehr unterfordert fühlen – beispielsweise, weil es keine anderen Aufgaben gibt, die Sie übernehmen könnten –, wird wohl nur ein beruflicher Wechsel helfen. Vielleicht gibt es ja innerhalb des Unternehmens eine ganz andere Position, die zu Ihnen passt. Oder Sie sehen sich in einer Stellenbörse nach neuen Herausforderungen um.
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Quellen:
Karrierebibel
Spiegel Online
Süddeutsche
* Dieser Service stellt keine ärztliche Beratung dar und ersetzt diese auch nicht.