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Gender Pay Gap im Spitzensport: Nirgends ist die Einkommenslücke größer

Gemischtes Tennis-Doppel: Der Mann im Vordergrund schnappt der Spielerin im Hintergrund den Ball weg

Das vierte und somit auch das letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres steht vor der Tür. Bei keinem anderen Tennisturnier kämpfen die Spielerinnen und Spieler um so hohe Preisgelder wie bei den US Open in New York. Bei den diesjährigen US Open (26. August bis 07. September 2019) werden satte 53 Millionen Euro an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgeschüttet. Sowohl der Sieger des Herren-Einzels als auch die Siegerin des Damen-Einzels werden jeweils mit einem Preisgeld in Höhe von umgerechnet ca. 3,5 Millionen Euro entlohnt.

Doch nicht nur im Tennis fließt viel Geld. Auch in anderen Sportarten wie im American Football, Basketball oder Fußball werden die Spitzenathleten nicht selten zu Multi-Millionären. Hingegen verdienen Spitzensportler in weniger populären Sportarten (z. B. Leichtathletik oder Schwimmen) häufig nicht einmal den Mindestlohn. Grund genug, einmal einen genaueren Blick auf die Gehälter der Spitzensportlerinnen und Spitzensportler zu werfen. Doch nicht nur zwischen Sportarten, sondern auch zwischen den Geschlechtern ist die Lohndiskrepanz im Spitzensport enorm hoch. Vor allem im Fußball, Handball und Golf sind die Unterschiede schockierend.

Wie groß die Unterschiede zwischen den Preisgeldern pro Kopf sind, in welchen Sportarten gleich hohe Preisgelder an Männer und Frauen ausgezahlt werden, welches Geschlecht mehr durch Sponsoren und Werbedeals verdient und welche Argumente für bzw. gegen eine gleich hohe Bezahlung sprechen, betrachten wir in diesem Artikel.

Top-Verdiener des Sports: Eine Sportlerin und 99 Sportler

Betrachtet man die im Juni 2019 veröffentlichte Forbes-Liste der höchstbezahlten Sportlerinnen und Sportler, fallen nicht nur die exorbitanten Summen auf. Viel mehr schockiert, dass sich unter den 100 bestbezahlten Spitzensportlern nur eine Frau befindet. Umgeben von 99 männlichen Spitzensportlern befindet sich die Tennisspielerin Serena Williams mit einem Bruttojahreseinkommen von rund 26 Millionen Euro auf Platz 63 der Liste. Das Forbes-Ranking macht schnell deutlich: Der Gender Pay Gap im Spitzensport ist größer denn je. Williams‘ männliche Tenniskollegen Roger Federer, Kei Nishikori und Novak Djokovic verdienen deutlich mehr, teilweise mehr als das Doppelte. Die Einkommen berücksichtigen dabei mehrere Kanäle – unter anderem auch Siegprämien.

Siegprämien im Spitzensport

Im Spitzensport herrschen gewaltige Unterschiede bei der Höhe der Preisgelder. Diese variieren sowohl von Sportart zu Sportart, als auch zwischen Männern und Frauen. Während beispielsweise die FIFA ein Preisgeld von insgesamt 360 Millionen Euro für die Herren-Fußball-WM in Russland ausschüttete, werden beim Schwimm-Weltcup lediglich 2,2 Millionen Euro vom Schwimm-Weltverband FINA (Fédération Internationale de Natation) an die Siegerinnen und Sieger verteilt. Für einen Sieg bei einem einzelnen Weltcup-Rennen erhält eine Schwimmerin oder ein Schwimmer z. B. 1.295 Euro.

Hier ist der Gender Pay Gap bei den Siegprämien am größten

In der besonders populären Sportart Fußball ist der Gender Pay Gap zwischen den Siegprämien auffallend hoch. Jede Spielerin des Gewinner-Teams der Frauen-Fußball WM hätte vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) in diesem Jahr eine Siegprämie von 75.000 Euro erhalten. Im Vergleich zum Jahr 1989, als die Spielerinnen des Siegerteams mit einem Kaffee-Service belohnt wurden, scheint es, als dürften sich die Spielerinnen nicht beschweren. Vergleicht man die Siegprämie jedoch mit der Prämie der Herren, wird schnell deutlich, welche Ungerechtigkeit herrscht und wie groß der Gender Pay Gap im Fußball ist. 275.000 Euro hätte jeder Nationalspieler im Falle eines WM-Siegs in Russland vor einem Jahr on top zur Prämie der Damen erhalten. Die Siegprämie der Herren wäre somit um ganze 366,67 Prozent höher gewesen.

Doch nicht nur im Fußball, sondern auch in vielen weiteren Sportarten klaffen die Prämien für Herren und Damen weit auseinander. In der folgenden Liste sind die ungefähren Höhen der Siegprämien in ausgewählten Sportarten aufgelistet.

Preisgelder pro Kopf (Männer vs. Frauen):

  • Fußball: WM-Sieg: 350.000 € vs. 75.000 € (gezahlt vom DFB)
  • Handball: WM-Sieg: 28.000 € vs. 7.500 € (gezahlt von DHB)
  • Skispringen: WM-Sieg: 25.000 € vs. 7.000 € (gezahlt vom Skisport-Weltverband FIS)
  • Golf: US Open Sieg: 2,02 Mio. € vs. 897.000 € (gezahlt vom Veranstalter)

Spiel, Satz, Sieg – gleiches Spiel, gleiches Geld

Neben den aufgeführten Sportarten gibt es jedoch auch solche, die als Vorbild vorangehen und gleich hohe Siegprämien für Männer und Frauen ausschütten. Tennis gehört zumindest bei den vier wichtigsten Turnieren des Jahres – den Australian Open, den French Open, Wimbledon und den US Open – zu diesen Sportarten. Sowohl männliche als auch weibliche Tennisspieler erhalten bei einem Sieg eines Grand-Slam-Turniers die gleiche Prämie – in Höhe von mindestens 2,5 Millionen Euro. Auch bei den Olympischen Spielen herrscht in Deutschland Gleichberechtigung. Für weibliche und männliche Athleten gilt hier: gleiche Medaille, gleich hohes Preisgeld.

Unter anderem bei diesen Sporthöhepunkten gibt es gleich hohe Siegprämien für Frauen und Männer:

  • Tennis: Grand-Slam-Turniersieg: mindestens ca. 2,5 Mio. € (gezahlt vom Veranstalter)
  • Biathlon: WM-Sieg: 25.000 € (gezahlt vom Weltverband IBU)
  • Beachvolleyball: WM-Sieg: 55.000 € (gezahlt vom Weltverband FIVB)
  • Schwimmen: Gesamtsieg der Weltcup-Serie: 135.000 € (gezahlt von der FINA)
  • Marathon: Sieg New York Marathon: 90.000 € (gezahlt vom Veranstalter)
  • Triathlon: Sieg Iron Man Hawaii: 119.000 € (gezahlt vom Veranstalter)
  • Leichtathletik: Einzel-Weltmeister/-in: 54.000 € (gezahlt vom Weltverband IAAF)

Was verdienen Spitzensportlerinnen und Spitzensportler insgesamt?

Neben den Siegprämien vermehrt sich das Einkommen der Spitzensportlerinnen und Spitzensportler u. a. durch Monatsgehälter, Sponsorengelder und Werbeeinnahmen. Die Höhe dieser Beträge ist nicht zu unterschätzen – die Tennislegende Roger Federer verdiente beispielsweise im Jahr 2017 zehnmal so viel durch Sponsoring und Werbedeals wie durch erspielte Preisgelder.

Die Verdienstchancen bei Sportarten mit hohen TV-Einschaltquoten sind deutlich höher. Zu den populärsten Sportarten mit den höchsten Einschaltquoten gehören American Football, Tennis, Golf und Fußball. Sportarten wie Schwimmen, Leichtathletik oder Rudern erreichen im Vergleich eher wenig TV-Zuschauer.

Spitzensportlerinnen und Spitzensportler beziehen einen Großteil ihres Einkommens durch Werbeeinnahmen und Sponsoring. Nicht selten machen sie Werbung für Kosmetik, Schmuck, Kleidung oder Sportartikel. Tennisstar Roger Federer macht aktuell Werbung für die neue Mercedes X-Klasse, Fußballlegende Lionel Messi modelt für das Luxus-Modelabel Dolce&Gabbana und Formel-1-Star Kimi Räikkönen ist das Gesicht für den finnischen Longdrink Original der Marke Hartwall. Aber auch Spitzensportlerinnen sind gefragte Werbegesichter: Die deutsche Wimbledon-Siegerin Angelique Kerber ist in der TV-Kampagne der Versicherung Generali zu sehen, Volleyball-Ass Laura Ludwig ist Botschafterin der Kosmetikfirma Nivea und Skifahrerin Lara Gut-Behrami machte Werbung für die Schweizer Schokolade Ragusa und die Luxusmarke Rolex. Die Einnahmen durch Werbung übertreffen oftmals bei weitem die Einnahmen durch Siegprämien. Auch auf Instagram haben einige Spitzensportlerinnen und Spitzensportler Millionen Follower und bessern durch Werbung und Produktplatzierungen ihre Jahresgehälter auf.

Hier ein Überblick über die ungefähre Höhe der Einnahmen aus Werbung und Sponsoring ausgewählter Sportlerinnen und Sportler:

  • Cristiano Ronaldo (Fußball): 39 Mio. €
  • Stephen Curry (Basketball): 37,5 Mio. €
  • Lionel Messi (Fußball): 31 Mio. €
  • Rafael Nadal (Tennis): 23 Mio. €
  • Serena Williams (Tennis): 22,3 Mio. €
  • Caroline Wozniacki (Tennis): 5 Mio. €

Die bereits erwähnte und im Juni 2019 aktualisiert veröffentlichte Forbes-Liste der am besten verdienenden Athletinnen und Athleten berücksichtigt Siegprämien, Monatsgehälter und Einnahmen durch Sponsoring und Werbung. Die höchsten Bruttojahreseinkommen beziehen demnach folgende Sportler:

  1. Lionel Messi (Fußball): 133 Mio. €
  2. Cristiano Rolando (Fußball): 97 Mio. €
  3. Neymar (Fußball): 94 Mio. €
  4. Saúl „Canelo“ Álvarez (Boxen): 84 Mio. €
  5. Roger Federer (Tennis): 83 Mio. €

Bei den Top-10 der bestbezahlten Athletinnen fällt auf, dass bis auf die amerikanische Rennfahrerin Danica Patrick und die indische Badminton-Spielerin P.V. Sindhu alle Athletinnen aus dem Tennissport kommen. Das Bruttojahreseinkommen der fünf höchstbezahlten Sportlerinnen, übrigens alle Tennisspielerinnen, sieht wie folgt aus:

  1. Serena Williams: 26 Mio. €
  2. Caroline Wozniacki: 12 Mio. €
  3. Sloane Stephens: 10 Mio. €
  4. Garbine Muguruza: 10 Mio. €
  5. Maria Sharapova: 9 Mio. €

Selbst zusammengerechnet verdienen diese fünf Spitzensportlinnen nur halb so viel wie der Fußballspieler Lionel Messi. Doch auch innerhalb der Sportart Tennis ist die Einkommensschere enorm. Im direkten Vergleich bekommen die fünf bestverdienenden männlichen Tennis-Profis zusammen fast dreimal so viel wie ihre weiblichen Kolleginnen.

  1. Roger Federer: 83 Mio. €
  2. Novak Djokovic: 45 Mio. €
  3. Kei Nishikori: 33 Mio. €
  4. Rafael Nadal: 31 Mio. €
  5. Grigor Dimitrov: 11 Mio. €

Wie kann dem Gender Pay Gap im Spitzensport entgegengewirkt werden?

Die Listen machen deutlich, dass der Gender Pay Gap im Spitzensport beachtliche Größen angenommen hat. Aber warum? Und sollte dagegen aktiv angegangen werden? Klar ist, dass geringere TV-Quoten gleichzeitig geringere Einnahmen bedeuten. Dementsprechend fallen die Siegprämien bei weniger beliebten Sportarten geringer aus, da den Verbänden weniger Geld zur Verfügung steht. Dies erklärt, warum die Prämien im Fußball deutlich höher sind als in der Leichtathletik. Fußball ist schlichtweg populärer und zieht mehr Zuschauer in die Stadien und vor den Fernseher.

Warum aber herrscht so eine gewaltige Kluft zwischen den Einschaltquoten der Fußball-WM der Herren und der der Damen? Auf diese Fragen werden viele mit der Standardantwort „Herrenfußball ist einfach viel dynamischer, schneller und dadurch spannender und interessanter“ antworten. Auch in vielen weiteren Sportarten wie im Tennis, Handball oder Eishockey kann dieses Argument herangezogen werden. Allein aufgrund der Unterschiedlichkeit der männlichen und weiblichen Anatomie wirkt Damensport häufig anders.

Sportarten wie Fußball, Handball, Tennis und Eishockey sind an einem männlichen Standard ausgerichtet. Wäre das Fußballfeld der Frauen kleiner, würde auch dieses Spiel schneller und dynamischer wirken und würde dadurch an Attraktivität fürs Fernsehen gewinnen. Durch höhere TV-Einschaltquoten würde sich theoretisch auch die Attraktivität für Sponsoren erhöhen, was wiederum den Sportlerinnen mehr Werbedeals einbringen könnte.

Volleyball gilt in dieser Argumentationskette als glänzendes Vorzeigebeispiel: Die Netze sind in dieser Sportart an die Durchschnittskörpergröße der Frauen angepasst und entsprechend niedriger als die Netze der Herren. Somit wurde das Spiel der Volleyball-Damen attraktiver und dynamischer. Auch das Pokalfinale der Männer und Frauen wurde als gemeinsames Event ausgetragen. Es ist jedoch fraglich, ob andere Sportarten diesem Beispiel folgen.

Ungleiche Leistung – gleiches Preisgeld?

Im Spitzensport gibt es einige Stimmen, die gegen eine Angleichung der Bezahlung von Frauen und Männern sind. Laut ihnen ist der Gender Pay Gap gerechtfertigt, da Männer zum einen mehr Zuschauer in die Stadien und vor den Fernseher locken und zum anderen schlichtweg größere Leistungen erbringen. Der Tennisspieler Novak Djokovic sprach sich öffentlich für eine bessere Entlohnung der Herren im Tennis aus. Abseits der vier großen Grand-Slam-Turniere sind die Preisgelder der ATP-Turniere (Herren) und der WTA-Turniere (Damen) zuweilen unterschiedlich hoch. Bei den Turnieren der Herren wird insgesamt über 40 Prozent mehr Geld an die Spieler ausgeschüttet. Die gleiche Bezahlung beider Geschlechter bei den Grand-Slam-Turnieren ist jedoch auch immer wieder Gegenstand von Kritik: Schließlich werden die Herrenspiele über drei Gewinnsätze und die Damenspiele lediglich über zwei Gewinnsätze gespielt. Ein Damen-Match ist in der Regel somit deutlich kürzer als ein Herren-Match. Viele, darunter auch der berühmte britische Tennisspieler Andy Murray, argumentieren, dass die Preisgelder der Herren höher ausfallen sollten, da die Damen nicht die gleiche Leistung erbringen und kürzere Zeit auf dem Platz stehen würden.

Die Zukunft des Gender Pay Gap im Spitzensport ist ungewiss

Ob sich der Gender Pay Gap im Spitzensport in Zukunft verkleinert oder vergrößert, ist schwer zu sagen. Zum einen nimmt Gleichberechtigung eine immer größere und bedeutendere Rolle im öffentlichen Diskurs ein, zum anderen wachsen Gewinnstreben und Wirtschaftlichkeit in der Sportbranche. Der Sport befindet sich in einer Art Zwickmühle und leidet mitunter unter einer Doppelmoral: Einerseits will er gewinnmaximierend und andererseits gemeinnützig sein. Für einige Vertreter ist Sport das pure Geschäft, für andere erfüllt der Sport vorrangig einen gesellschaftlichen und sozialen Zweck.

Aus einer moralischen Perspektive betrachtet sollten alle Sportlerinnen und Sportler, die gleiche Leistungen erbringen, auch gleich bezahlt werden. Wirtschaftlich betrachtet führen nun mal geringere TV-Quoten zu geringeren Einnahmen, wodurch geringere Prämien und Gehälter an die Sportlerinnen ausgeschüttet werden können. Dennoch scheint es, als würde das allgemeine Interesse am Damensport weiter steigen, was zu besseren Sendezeiten und schlussendlich auch zu steigenden Einkommen der Profisportlerinnen führen könnte. Jedoch ist es höchst unwahrscheinlich, dass sich in den nächsten Jahren das Blatt vollständig wendet und der Gender Pay Gap im Spitzensport geschlossen wird.

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Quellen:

Focus
Forbes
NTV
Spiegel Online
Statista
WTA Tennis