Seitenansicht eines Priesters, der die Bibel hält und wegschaut
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Kirchliche Unternehmen Eingriffe ins Privatleben – was ist erlaubt?Mitarbeitervertretung statt BetriebsratGehälter bei der KircheDie Kirche als Arbeitgeber: Ja oder Nein?

Wenn du in Erwägung ziehst, deine berufliche Laufbahn bei einem kirchlichen Arbeitgeber einzuschlagen, öffnet sich möglicherweise ein Fenster zu einer ganz anderen Arbeitswelt. Hier geht es nicht nur um die Erfüllung deiner beruflichen Aufgaben, sondern auch um die Einhaltung eines ethischen und moralischen Rahmens, der von religiösen Werten geprägt ist.

Vor allem katholische Einrichtungen können ihren Mitarbeiter*innen Dinge vorschreiben, die bei weltlichen Firmen unmöglich wären. Und diese Vorrechte der Kirchen wurden als kirchliches Selbstbestimmungsrecht vom Bundesverfassungsgericht wiederholt bestätigt. Besonders bemerkenswert: Ein Verstoß gegen die katholischen Sitten kann zur Kündigung führen. Hier ist schon die sexuelle Orientierung ein ausreichender Kündigungsgrund. Allerdings gibt es inzwischen einige Lockerungen bei der Personalpolitik der Kirchen.

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Alles Wichtige auf einen Blick:

  • Mitarbeiter*innen unterliegen dem kirchlichen Arbeitsrecht, das sowohl staatliche Arbeitsrechte als auch kirchliche Vorschriften umfasst, was Besonderheiten wie die Einhaltung religiöser Grundsätze im Privatleben einschließt.
  • Trotz einiger Lockerungen bei der Personalpolitik der Kirchen können Verstöße gegen katholische Sitten, wie die sexuelle Orientierung, zur Kündigung führen.
  • Kirchliche Arbeitgeber haben eigene Strukturen wie Mitarbeitervertretungen statt Betriebsräte und verhandeln Gehälter im Rahmen des sogenannten Dritten Weges.

Kirchliche Unternehmen – die etwas anderen Arbeitgeber

In Deutschland sind rund 1,8 Millionen Menschen bei den evangelischen und katholischen Kirchen sowie ihren Wohlfahrtsverbänden beschäftigt. Damit sind kirchliche Organisationen nach dem öffentlichen Dienst der zweitgrößte Arbeitgeber des Landes. In den etwa 50.000 kirchlichen Einrichtungen gibt es eine Vielzahl von Berufen, angefangen bei Erzieher*innen bis hin zu Hausmeister*innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen.

Gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes haben alle Religionsgemeinschaften das Recht, ihre Angelegenheiten autonom zu regeln, ohne staatliche Einmischung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Institutionen unterliegen daher dem kirchlichen Arbeitsrecht, das sowohl allgemeine Bestimmungen des staatlichen Arbeitsrechts als auch Vorschriften der Kirche umfasst. Personen, deren Anstellung unter dieses kirchliche Arbeitsrecht fällt, müssen beispielsweise den Glaubensgrundsätzen ihres Arbeitgebers zustimmen und sich sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatleben danach ausrichten. Ein Verstoß gegen diese Loyalität kann zu einer Kündigung führen.

Eingriffe ins Privatleben – was ist erlaubt?

In der Vergangenheit wurden einige Fälle bekannt, in denen die Einschränkungen der Mitarbeiterrechte deutlich zutage traten. Bei außerdienstlichen Loyalitätsverstößen reagierte die Kirche oft mit Kündigungen. Ein prominenter Fall war die Entlassung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses. Nach seiner Scheidung und Wiederheirat im Jahr 2008 erhielt er nur ein Jahr später die Kündigung. Obwohl das Bundesarbeitsgericht 2011 seiner Klage stattgab, bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Kündigung aufgrund des Verstoßes gegen die katholische Lehre. 2018 entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Kündigung ungerechtfertigt war, da ein evangelisches oder konfessionsloses Krankenhaus die Wiederheirat akzeptiert hätte.

Das katholische Arbeitsrecht ist strenger als das evangelische. In der evangelischen Kirche stellen Scheidung, Wiederheirat oder Homosexualität keine Kündigungsgründe dar, während katholische Arbeitgeber in diesen Fällen oft anders entscheiden. Besonders homosexuelle Mitarbeiter*innen haben es schwer, sobald sie sich outen. In der katholischen Lehre wird Homosexualität als widernatürlich angesehen und dem Ideal der klassischen Familie entgegengestellt. Solange die sexuelle Orientierung verborgen bleibt, gibt es keine Probleme. Doch ein Outing oder eine gleichgeschlechtliche Heirat können zu einer fristlosen Kündigung führen. So zog 2008 ein katholisches Gymnasium einen unterschriftsreifen Arbeitsvertrag für einen Englisch- und Biologie-Lehrer zurück, als bekannt wurde, dass er seinen Lebensgefährten heiraten möchte.

Der Austritt aus der Kirche genügt in beiden Konfessionen, um entlassen zu werden. Die Europäische Kommission sieht in diesen Sonderregelungen eine Form der Diskriminierung. Obwohl das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seit 2006 gilt, genießen die Kirchen weiterhin Sonderrechte. Dies erscheint besonders bizarr, da ein Großteil der kirchlichen Mitarbeiter*innen vom Staat finanziert wird. Die Wohlfahrtsverbände der Kirchen, erfüllen soziale Aufgaben im staatlichen Auftrag, finanziert durch Steuergelder.

Der EuGH weist in die richtige Richtung

Gemäß EU-Recht ist Gleichbehandlung grundsätzlich erforderlich. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich die Rechte von Arbeitnehmenden in kirchlichen Einrichtungen gestärkt. In einer unionskonformen Auslegung entschied das BAG, dass kirchliche Arbeitgeber bei Stellenausschreibungen nicht pauschal eine bestimmte Religionszugehörigkeit von Bewerbenden verlangen dürfen. Ebenso erklärte das BAG die Kündigung eines Chefarztes aufgrund seiner Wiederheirat für unwirksam, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuvor festgestellt hatte, dass dies dem EU-Diskriminierungsverbot widerspricht.

Mitarbeitervertretung statt Betriebsrat, kaum Tarifverträge, kein Streikrecht

Die Sonderrechte konfessioneller Arbeitgeber in Deutschland gehen noch weiter. Im kirchlichen Arbeitsrecht gibt es keinen Betriebsrat; stattdessen können Arbeitnehmer sogenannte Mitarbeitervertretungen wählen. Diese haben im Vergleich zum gesetzlich verankerten Betriebsrat jedoch deutlich weniger durchsetzbare Rechte und bleiben daher ein relativ machtloses Instrument – Regelungen zu Arbeitszeiten oder die Betreuung von Auszubildenden sind hier nicht vorgesehen.

In Bezug auf das Arbeitsvertragsrecht berufen sich die Kirchen auf den sogenannten Dritten Weg. Hier werden Löhne und Gehälter nicht allein vom Arbeitgeber festgelegt (Erster Weg) und auch nicht über Tarifverträge (Zweiter Weg), sondern in paritätisch besetzten Gremien von Arbeitgebern und Arbeitnehmer*innen gemeinsam ausgehandelt. Dieser dritte Weg zielt darauf ab, Streiks zu vermeiden. Stattdessen wird nach kooperativen Lösungen für Konflikte gesucht, und im Zweifelsfall entscheidet ein Schlichter. Ein Streikrecht im herkömmlichen Sinne existiert somit nicht für Arbeitnehmer konfessioneller Einrichtungen. Auch hier bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Privilegien der Kirchen und wies eine entsprechende Klage der Gewerkschaft ver.di als unzulässig ab. Allerdings ist die Bereitschaft, gemeinsam mit Gewerkschaftsvertretern an einem Tisch zu verhandeln, in letzter Zeit gewachsen.

Gruppe von Menschen vor einer Kirche an einem sonnigen Tag
Gemeinsamkeit und Glaube - ein Thema, das auch kirchliche Arbeitgeber betrifft. © Ryan Morris/EyeEm

Gehälter bei der Kirche

Grundsätzlich sieht die Kirche und kirchliche Organisationen keine Tarifverhandlungen vor. Einige evangelische Kirchen haben jedoch eigene Tarife eingeführt, um eine angemessene Bezahlung sicherzustellen. Das älteste Beispiel ist der Kirchliche Arbeitnehmerinnentarifvertrag (KAT) in der Nordkirche, der bereits seit 1979 besteht. Viele kirchliche Tarifverträge wurden jedoch erst im letzten Jahrzehnt eingeführt.

Die Vergütung von katholischen Kirchenbeamten orientiert sich stark am Beamtenrecht des Bundes und der Länder. Es gibt verschiedene Besoldungsgruppen, darunter Beamte auf Lebenszeit, Probe und Widerruf. Die Gehälter variieren entsprechend. Die niedrigste Besoldungsgruppe in der katholischen Kirche liegt beispielsweise bei A13, während die höchste Besoldungsgruppe den Bischof mit B8 umfasst.  Darüber hinaus erhalten alle katholischen Beamten eine Besoldung als Beihilfe bei bestimmten Lebensereignissen wie Geburten, Todesfällen und Krankheiten.

Neben den traditionellen kirchlichen Berufen bieten kirchliche Unternehmen eine Vielzahl weiterer Beschäftigungsmöglichkeiten. Zum Kircheneigentum gehören nicht nur zahlreiche Gebäude, sondern auch Friedhöfe, die gepflegt werden müssen. Darüber hinaus gibt es kirchliche Medienangebote, Banken und Herstellungsfirmen, die entsprechendes Fachpersonal beschäftigen. Natürlich umfassen kirchliche Unternehmen auch zahlreiche soziale Einrichtungen und Hilfsorganisationen.

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in diesen Berufsfeldern tätig sind, verdienen in der Regel bei Religionsgemeinschaften – insbesondere, wenn es sich um Hilfskräfte handelt – weniger als in einem weltlichen Unternehmen.

Hinzu kommen außerdem rund eine Million ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die unentgeltlich für kirchliche Arbeitgeber tätig sind. Diese engagierten Personen tragen maßgeblich zum Funktionieren kirchlicher Organisationen bei, sei es in der Gemeindearbeit, in sozialen Projekten oder anderen Bereichen.

Obwohl sie keine finanzielle Vergütung erhalten, werden Auslagen und Spesen diesen Mitarbeitenden erstattet, und sie genießen einen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Kirche als Arbeitgeber: Ja oder Nein?

Nicht nur die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, auch die weniger zeitgemäßen Regelungen bezüglich des Privatlebens der Mitarbeitenden lockern sich in den Kirchen etwas. Offen homosexuellen Mitarbeiter*innen droht in katholischen Kirchen inzwischen seltener die Kündigung als noch vor einigen Jahren, ebenso wird die Wiederheirat nach einer Scheidung zunehmend toleriert. Nur wenn das Privatleben ein "erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft" darstellt, würde dies als Loyalitätsverstoß eine Kündigung nach sich ziehen.

Dieses "erhebliche Ärgernis" sah die Kirche 2019 in dem Austritt eines Kochs aus der Kirche. Das Landesarbeitsgericht erachtete die Kündigung jedoch als unwirksam, da der Glaube für die Arbeit des Kochs in einer evangelischen Kindertagesstätte nicht von Bedeutung sei. Es herrscht daher aktuell viel Unsicherheit darüber, inwieweit das kirchliche Arbeitsrecht noch Gültigkeit hat. Das setzt die kirchlichen Arbeitgeber unter Druck.

Durch die Verschärfungen der Vorgaben für Kirchen als Arbeitgeber und die aktuellen sowie vergangenen Skandale haben die kirchlichen Arbeitgeber diverse Baustellen, um die sie sich kümmern müssen, wenn sie ein attraktiver Arbeitgeber sein wollen. Ob ein kirchlicher Arbeitgeber zu dir passt, muss du jedoch selbst entscheiden. Du solltest dir jedoch darüber im Klaren sein, dass für die Kirche noch immer ein besonderes Arbeitsrecht gilt.

FAQ: Kirchliche Arbeitgeber

Hat die Kirche ein eigenes Arbeitsrecht?

Ja, in vielen Ländern haben religiöse Organisationen, einschließlich der Kirche, ein eigenes Arbeitsrecht, das sich von dem staatlichen Arbeitsrecht unterscheidet. Dieses Recht wird oft durch interne Richtlinien, Verträge oder Vereinbarungen geregelt, die die Beziehung zwischen der Kirche und ihren Mitarbeiter*innen regeln.

Wer bezahlt kirchliche Angestellte?

Kirchliche Angestellte werden üblicherweise von der jeweiligen religiösen Organisation bezahlt, für die sie arbeiten. Die Gehälter können je nach Position, Ausbildung und Dienstjahren variieren. Die Finanzierung erfolgt oft aus Kirchenbeiträgen, Spenden und anderen Einnahmequellen der religiösen Institution.

Wann gilt kirchliches Arbeitsrecht?

Das kirchliche Arbeitsrecht gilt in der Regel für Mitarbeiter, die in einer kirchlichen oder religiösen Organisation beschäftigt sind. Es umfasst Themen wie Arbeitsbedingungen, Einstellung und Kündigung, Gehalt und Vergütung, sowie spezifische Anforderungen oder Erwartungen an Mitarbeiter*innen im Hinblick auf ihre religiöse Zugehörigkeit und moralisches Verhalten. Dieses Recht kann je nach Land und religiöser Institution variieren.

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