News

Bedingungsloses Grundeinkommen – das Modell der Zukunft?

Tipps & Tricks zum Thema Gehalt, Karriere & Berufsleben
findest du im Stepstone Magazin
Eine Frauenhand hält einen Fächer aus Euro-Scheinen.

Durch das Virus SARS-CoV-2 (meistens schlichtweg Coronavirus genannt), welches die ansteckende Atemwegserkrankung COVID-19 verursacht, sind bedeutende Teile der Wirtschaft zum Erliegen gekommen. Ökonomen erwarten eine starke Rezession sowie steigende Arbeitslosenzahlen, und Millionen Menschen sind hierzulande aktuell auf zusätzliche staatliche Unterstützungsgelder angewiesen.

Inmitten einer solchen finanziellen Misere greifen viele Staaten zu nie dagewesenen wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen. Die Vereinigten Staaten etwa schütten an jeden erwachsenen Bürger eine Einmalzahlung aus – diese liegt für Bürger mit einem Bruttojahreseinkommen von bis zu 75.000 US-Dollar bei 1.200 US-Dollar. Längst mehren sich daher auch in Deutschland Stimmen, welche ähnliche Maßnahmen fordern. Häufig vorgeschlagen: Die Einführung eines vorübergehenden bedingungslosen Grundeinkommens, um der Corona-Krise zu begegnen. Eine dementsprechende Plattformpetition, die ein solches Grundeinkommen über einen Zeitraum von sechs Monaten vorsieht, hat online bereits über 450.000 Unterschriften gesammelt. Eine weitere öffentliche Petition an den Deutschen Bundestag – diese ist rechtlich relevant, sobald es mehr als 50.000 Unterstützer gibt – wurde mittlerweile mehr als 130.000 Mal unterzeichnet.

Ganz gleich, ob eine solche Krisenmaßnahme tatsächlich Realität wird oder nicht, so hat die Corona-Pandemie auch den Diskurs um die Einführung eines permanenten bedingungslosen Grundeinkommens wieder angefeuert und verstärkt in den öffentlichen Fokus gerückt. Doch was versteht man überhaupt unter einem bedingungslosen Grundeinkommen? Ist dieses wirtschaftlich eigentlich realisierbar? Und würde es Menschen dazu verleiten, das Arbeiten einzustellen? Mit diesen und weiteren Fragen befassen wir uns in diesem Artikel.

Was ist ein bedingungsloses Grundeinkommen?

Das Prinzip eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ist simpel: Mit diesem Modell wird eine staatliche Zuwendung bezeichnet, welche in einem regelmäßigen (üblicherweise monatlichen) Rhythmus erfolgt und eine existenzsichernde Höhe hat. In Deutschland wird in Diskussionen häufig eine Summe von 1.000 oder 1.500 Euro genannt. Die Besonderheit: Jeder Staatsbürger erhält diese Zahlung automatisch und ohne gesonderte Bedürftigkeitsüberprüfung, also unabhängig von Einkommen, Besitz, Familienstand und vor allem Erwerbsstatus – bedingungslos eben.

Das bedeutet gleichzeitig auch: Alle sonstigen Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Kindergeld, Sozialhilfe oder Rente würden somit überflüssig werden und allmählich durch das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt – so zumindest der Grundgedanke. In der Realität wurden zahlreiche unterschiedliche Modelle entworfen, welche in manchen dieser Punkte abweichen: So werden in den meisten Konzepten zumindest vereinzelte staatliche Sozialleistungen beibehalten. Auch gibt es durchaus Vorschläge, wo die Höhe des BGE nach Alter variiert, zum Beispiel wenn das Grundeinkommen nur von Volljährigen bezogen werden kann – das würde dann wiederum Kindergeld notwendig machen.

Das zugrundliegende Prinzip ist aber überall gleich: Das BGE soll die existenzielle Basis jedes Individuums sichern und wäre somit ein allgemeingültiges Bürgerrecht. Wer mehr Geld verdienen möchte, um beispielsweise die eigene Lebensqualität zu steigern, kann dies über Erwerbsarbeit tun (so wie aktuell auch). Das hierdurch erwirtschaftete Geld wird jedoch nicht mit dem Grundeinkommen verrechnet, wodurch beide Einkommensformen unabhängig voneinander existieren (anders als beispielsweise beim Arbeitslosengeld II, also Hartz IV). Doch auch beim BGE existieren Alternativmodelle, wo die Höhe des Grundeinkommens mit steigendem Einkommen sinkt. Des Weiteren gibt es auch Konzepte, wo das BGE unter dem Existenzminimum liegt – hier spricht man dann von einem partiellen Grundeinkommen.

Lässt sich ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzieren?

Der größte Streitpunkt in Zusammenhang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ist in der Regel dessen Finanzierung: Woher soll das Geld kommen? Eine Frage, die auch unter Volkswirtschaftlern kontrovers diskutiert wird. Zweifelsohne – die Kosten für ein BGE wären enorm. Würde man jedem Bundesbürger monatlich 1.000 Euro auszahlen, so wären hierfür jährlich fast eine Billion Euro erforderlich. Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens weisen allerdings darauf hin, dass die Gesamtsumme, die Bund, Länder und Kommunen aktuell an Sozialleistungen ausschütten, sich bereits in ähnlichen Regionen bewegt: 996 Milliarden waren es 2018. Inwiefern diese jedoch vollständig durch ein Grundeinkommen ersetzt werden können, wird von vielen Seiten bezweifelt.

Indessen kann durch Einsparungen beim sozialstaatlichen Verwaltungsapparat tatsächlich eine große Geldsumme generiert werden. Ein weiterer Vorteil des bedingungslosen Grundeinkommens: Der aktuelle Sozialstaat ist mit viel Bürokratie verbunden, zum Beispiel durch aufwändige Einkommens- und Vermögensprüfungen – diese horrenden Kosten könnten dann eingespart werden, wodurch wiederum zusätzliches Budget frei würde.

Um ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzieren zu können, bedarf es einer fundamentalen Steuerreform und einer Verschlankung des Verwaltungsapparats. Um das nötige Geld aufzutreiben, gibt es verschiedene Lösungsansätze. Besonders populär ist die primäre Finanzierung durch Besteuerung des Einkommens. Dies lässt sich etwa im Modell der negativen Einkommenssteuer verwirklichen – hier wird in der Regel von einem konstanten Einkommenssteuersatz ausgegangen (z. B. 50 Prozent), besteuert wird allerdings nur die Differenz zu einem bestimmten Freibetrag (z. B. 2.000 Euro). Somit wird nicht nur sichergestellt, dass Besserverdienende steuerlich stärker belastet werden (da ein größerer Anteil ihres Einkommens über dem Freibetrag liegt) – wessen Gehalt unter dem Freibetrag liegt, der versteuert eine negative Differenz und bekommt daher zusätzlich Geld ausgezahlt. Bei einem Einkommen von 0 Euro läge der zu versteuernde Betrag also bei -2.000 Euro, somit erhielte diese Person 1.000 Euro vom Staat zur Deckung des Existenzminimums.

Weitere Ansätze wollen ein bedingungsloses Grundeinkommen durch eine starke Besteuerung des Konsums finanzieren. Viele Modelle kombinieren auch diese Ideen. Diskutiert wird ebenso eine zusätzliche Besteuerung von Finanztransaktionen.

An Modellen, die eine Finanzierung theoretisch möglich machen, mangelt es also nicht, doch welches das geeignetste ist und ob es dem Praxistest standhalten würde, darüber besteht weiterhin keine Einigkeit. Unklar ist auch, wie die nötige Umstellung des bestehenden Systems (inklusive einer weitestgehenden Auflösung des Rentensystems) am besten und am günstigsten realisierbar wäre. Manche fürchten auch, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in massiven Einwanderungsströmen resultieren würde, welche die Rechnung weiter verkomplizieren. Kritiker monieren außerdem, dass sich die Lebenshaltungskosten je nach Wohnort stark unterscheiden – dies müsste also ebenso berücksichtigt werden.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Mehr Freiheit oder mehr Faulheit?

Ganz gleich wie ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert werden könnte, derlei Überlegungen haben nur dann Bestand, wenn die Einführung eines BGE nicht zu einem drastischen Absturz an geleisteter Arbeitszeit führt. Genau das ist die Befürchtung von vielen Kritikern: Durch eine Sockelzahlung an alle würde die Leistungsgesellschaft unterhöhlt und jeglicher Anreiz zur Erwerbsarbeit ginge verloren. Insbesondere für ‚unbeliebte‘ Jobs (z. B. gefährliche oder physisch belastende Arbeit) fände sich dann nicht mehr genug Personal.

Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens argumentieren in die entgegengesetzte Richtung: Demnach hinge Arbeitsmotivation nicht primär vom Einkommen ab. In einem Punkt sind sie und Kritiker sich einig: Arbeit sei etwas Sinnstiftendes – und werde daher gerade deswegen auch dann angestrebt, wenn ein BGE existiere. Vielmehr hätte ein Grundeinkommen dann die Funktion eines Fangnetzes, das Ängste lindert und ein Gefühl der Sicherheit gibt. Dies führe dazu, dass Menschen mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht ändern, ob sie arbeiten, sondern wie – zum Beispiel, indem sie sich eine Tätigkeit suchen, die ihnen tatsächlich gefällt, oder aber weniger bzw. in Teilzeit arbeiten. Eine weitere Folge: Höhere Selbstständigkeit und Flexibilität sowie geringerer Stress und ein besseres Betriebsklima durch weniger Konkurrenzkampf.

Ohnehin verweisen Fürsprecher darauf, dass der Bedarf an gesellschaftlicher Arbeitsleistung durch zunehmende Technisierung und Digitalisierung stetig sinkt. Gerade durch Automatisierung und verstärkt auch Künstliche Intelligenz fallen immer mehr Jobs weg, wodurch beträchtliche Bevölkerungsteile von Armut gefährdet sind und gesellschaftliche Ungleichheit wächst. Ineffiziente und oft auch ineffektive Umschulungsmaßnahmen können das nicht abfedern. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte hier nicht nur eine sofort wirksame und praktikable Lösung sein, sondern gäbe der Gesamtbevölkerung auch langfristig mehr Zeit und Raum, die eigene Bildung und berufliche Qualifikation voranzutreiben. Ohnehin sehen viele im BGE ein gangbares Mittel zur Reduktion oder gar Abschaffung von Armut. Dies wäre auch verbunden mit der Entstigmatisierung von Erwerbslosigkeit und somit der Verringerung sozialer Ausgrenzung sowie der Aufwertung von Tätigkeiten, die momentan nicht arbeitsmarktrelevant sind, aber zweifellos einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Gesellschaft leisten (z. B. Kindererziehung oder die Pflege von Familienangehörigen).

Skeptiker befürchten wiederum genau das Gegenteil: Ein Grundeinkommen könne demnach dazu führen, dass gerade einkommensschwächere Schichten zu sozialem Stillstand verleitet werden und zudem ihre eigene Bildung vernachlässigen, wobei diese These von ersten Studien nicht bestätigt werden konnte. Umstritten sind auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt an sich: Dieser würde sich durch die Aufhebung des ‚Arbeitszwanges‘ dann nach marktwirtschaftlichen und möglicherweise sozial ungerechten Prinzipien von Angebot und Nachfrage richten. Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens gehen hingegen davon aus, dass hierdurch Jobs, die momentan als unbeliebt gelten und schlecht entlohnt werden, entweder gänzlich wegfallen (z. B. durch Automatisierung) oder aber attraktiver gestaltet und besser bezahlt werden müssen, damit sich genug Menschen finden, die bereit sind, diese Berufe auszuüben.

Die Konsequenzen eines bedingungslosen Grundeinkommens auf die allgemeine Arbeitsmoral fürchten auch Teile der Bevölkerung: In Umfragen zweifelte etwa die Hälfte aller Befragten daran, dass ihre Mitmenschen weiterhin arbeiten würden. Sobald die Frage auf die eigene Person bezogen wurde, gab allerdings lediglich jeder Zehnte an, dass er seinen Job an den Nagel hängen würde; andere Befragungen ergaben gar noch niedrigere Werte. Auch Modellstudien bestätigen bisher diese Tendenz – demnach führt die Einführung eines BGE zu keinem signifikanten Absturz der Arbeitsleistung. Inwiefern diese Erkenntnisse jedoch auch in der Realität gültig wären, ist weiterhin offen.

Wie realistisch ist die baldige Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens?

Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht neu, sondern wird schon seit vielen Jahrzehnten intensiv diskutiert und lässt sich ideologisch sogar mehrere Jahrhunderte zurückverfolgen. Zwar wurden in zahlreichen Ländern weltweit Testprojekte und Pilotstudien durchgeführt (z. B. in Finnland, Brasilien, Kanada, Kenia, Indien und den Vereinigten Staaten), doch ein allgemeingültiges BGE gibt es momentan in keinem Staat der Erde. Die Chancen, dass sich das in nächster Zeit ändert, sind überschaubar, denn ein weitreichender Konsens zu diesem Thema ist noch lange nicht erreicht.

Gleichzeitig rückt das Grundeinkommen durchaus vermehrt ins politische Bewusstsein. In den USA etwa sorgte Unternehmer Andrew Yang für Furore, als er bei den diesjährigen Präsidentschaftsvorwahlen der Demokratischen Partei mit einem Programm antrat, in dessen Zentrum die sogenannte freedom dividend (auf Deutsch: Freiheitsdividende) stand: Ein bedingungsloses Grundeinkommen, in diesem Falle in Höhe von 1.000 US-Dollar. In Deutschland wurde 2010 diesbezüglich eine Petition in den Bundestag eingebracht, dies dürfte sich dieses Jahr mit verstärkter Dringlichkeit wiederholen. Indessen hat sich noch keine deutsche Großpartei einheitlich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen, lediglich die Piratenpartei hat es in ihr Parteiprogramm aufgenommen.

In der Bevölkerung ist das Meinungsbild zwiegespalten: Manche Umfragen zeigen eine 50:50-Verteilung, manche eine leichte Mehrheit für ein BGE. Auch sind bei weitem noch nicht alle mit dem Konzept vertraut – hier ist also auch Aufklärungsarbeit vonnöten – eine Aufgabe, der sich beispielsweise Initiativen wie Mein Grundeinkommen oder Netzwerk Grundeinkommen angenommen haben.

Doch ganz gleich wie jeder die Frage nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für sich beantwortet – aus dem gesellschaftlichen und politischen Diskurs wird sie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auch weiterhin nicht verschwinden.

 

Quellen:

Bundeszentrale für politische Bildung

Focus

Frankfurter Rundschau

INSA

Süddeutsche Zeitung

taz

Welt Online