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Religionsfreiheit – Grenzen im Berufsleben

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Saudi-arabische Ärztin  und Krankenpfleger bei der Arbeit mit einem Tablet.

In sämtlichen Lebensbereichen und so auch am Arbeitsplatz treffen Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und Weltanschauungen aufeinander. Das Spannungsfeld zwischen grundrechtlicher Religionsfreiheit und Direktionsrecht des Arbeitgebers forderte daher insbesondere in der jüngsten Vergangenheit immer häufiger Gerichtsentscheidungen. Dabei ist die Religionsfreiheit im Staatsdienst und die Vorgaben von privaten Arbeitgebern zu unterscheiden.

Die Religionsfreiheit ist in Art. 4 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) verankert. Die Glaubensfreiheit und Bekenntnisfreiheit gilt im Grundgesetz als unverletzlich und zudem wird die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. Des Weiteren steht in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 im GG, dass niemand wegen seines Glaubens oder seiner religiösen Anschauungen bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Im Hinblick auf die praktische Umsetzung des Schutzes der Religionsfreiheit im Arbeitsalltag kommt es jedoch immer wieder zu Problemen. Ab wann endet also die Religionsfreiheit am Arbeitsplatz? Darf der Arbeitgeber religiöse Symbole verbieten? Und was sagen eigentlich die Gerichte zu den Fällen? 

Wenn die Religionsfreiheit im Staatsdienst an Grenzen stößt

Der Staat hat nach Art. 4 I, 3 III 1, 33 III des Grundgesetzes die Pflicht weltanschaulich-religiös neutral aufzutreten. Diese Pflicht überträgt sich auch auf die Repräsentanten des Staates und gilt somit ebenso für Angestellte des öffentlichen Dienstes. Staatliche Bedienstete dürfen daher niemals ihre religiösen Überzeugungen als Maßstab für ihre Dienstausübung nehmen. Auch das Tragen von religiösen Symbolen kann die Neutralität des Staates in Frage stellen. Daher wies auch das Bundesverfassungsgericht im Januar 2020 die Verfassungsbeschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin zurück. Die Rechtsreferendarin wurde noch vor Aufnahme ihrer Ausbildung durch das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass sie im juristischen Vorbereitungsdienst in beruflichen Kontexten religiös neutral auftreten muss und daher kein Kopftuch während ihrer Tätigkeit tragen darf. Das beamtenrechtliche Neutralitätsgebot stand in diesem Fall über der Religionsfreiheit und durfte diese einschränken.

Eine Einschränkung der Religionsfreiheit im staatlichen Beschäftigungsverhältnis kann auch dann zustande kommen, wenn eine funktionierende Verwaltung gefährdet wäre. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürger erheblich erschwert wird. Daher wäre das Tragen eines Kopftuches in diesem Fall kein Problem, jedoch wäre eine Vollverschleierung, die Mimik und Gestik verdeckt, nicht erlaubt. Ein Kopftuch kann jedoch dann zu einem Problem werden, wenn die Wahrung der Werteordnung des Grundgesetzes gefährdet wird. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die religiösen Ansichten des Beamten oder des Bewerbers auf einen Beamtenposten der Gleichstellung und Gleichbehandlung von Mann und Frau entgegensteht. Das Tragen eines religiösen Kopftuches kann daher dafürsprechen, dass die Person die Gleichstellung und Gleichbehandlung beider Geschlechter nicht akzeptiert und dementsprechend nicht für diese Werte einstehen kann. Dabei kommt es jedoch auf die Interpretation des Trägers bzw. der Trägerin an. Mittlerweile tragen viele muslimische Frauen das Kopftuch als Ausdruck der Emanzipation und können somit auch für die Werteordnung des Grundgesetzes einstehen.

Welche Grenzen dürfen private Arbeitgeber in Bezug auf Ausübung der Glaubensrichtung setzen?

Im Jahr 2017 beschäftigte sich die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mit der Frage, ob ein privater Arbeitgeber eine Muslimin das Tragen eines religiösen Kopftuches während der Arbeitszeit verbieten darf. Dabei ging es insbesondere um die Frage, wann ein Kopftuchverbot eine unzulässige Diskriminierung darstellt und ab welchen Punkt eine zulässige Ungleichbehandlung. Grund für die Beschäftigung mit der Fragestellung war eine Klage einer Frau, die bereits mehrere Jahre in der beklagten Firma tätig war. Das Unternehmen schrieb bereits seit mehreren Jahren vor, dass das Tragen jeglicher sichtbaren politischen und religiösen Zeichen während der Arbeitszeit unzulässig sei. Dieses Verbot hielt das Unternehmen auch in der Arbeitsordnung fest. Die Klägerin entschied erst während ihrer Tätigkeit im Unternehmen, auch während der Arbeitszeit ihr religiöses Kopftuch zu tragen und verstieß damit gegen die Arbeitsordnung. Daraufhin entließ das Unternehmen die Klägerin.

Um ein einheitliches Erscheinungsbild in einem Unternehmen zu wahren, darf der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen grundsätzlich vorschreiben, sich auf bestimmte Art und Weise zu kleiden. Bei der Richtlinie für die Arbeitskleidung darf jedoch keine Person mit einer bestimmten Religion, Weltanschauung, Behinderung, sexuellen Ausrichtung oder eines bestimmten Alters benachteiligt werden – außer diese Benachteiligung wäre sachlich gerechtfertigt. Dies wäre der Fall, wenn ein Unternehmen seiner Kundschaft ein Bild von Neutralität vermitteln möchte. Im berichteten Fall urteilte das Gericht daher zugunsten des Unternehmens. Des Weiteren war es für das Urteil entscheidend, dass die Arbeitnehmerin vorher bereits im Unternehmen gearbeitet hat, ohne ein religiöses Kopftuch zu tragen.

Im Jahr 2021 präzisierte der EuGH durch ein neues Urteil die Entscheidung aus dem Jahr 2017 und stärkte damit die Rechte des Arbeitgebers. Ein Arbeitgeber darf immer dann ein Verbot für sichtbare politische, weltanschauliche und religiöse Symbole aussprechen, wenn er gegenüber der Kundschaft ein Bild der Neutralität vermitteln will oder soziale Konflikte vermeiden möchte. Dieses Verbot muss jedoch für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleichermaßen gelten. Wenn am Arbeitsplatz das Tragen eines religiösen Kopftuches verboten ist, gilt dieses Verbot auch für das offene Tragen eines Kreuzes, einer Kippa, einer Kurta oder eines Dastar. Außerdem muss der Arbeitgeber begründen können, warum das Verbot von religiösen Symbolen am Arbeitsplatz für die Arbeit relevant ist. Dies wäre zum Beispiel gegeben, wenn in einem Kindergarten die Eltern darauf bestehen, dass die Kinder nur von Personen beaufsichtigt werden, die ihre Religion und Weltanschauung nicht zum Ausdruck bringen.

Außerdem dürfen religiöse Symbole die Sicherheit an einem Arbeitsplatz nicht gefährden. Träger von religiösen Kopfbedeckungen müssen sich zum Beispiel dennoch an die Helmpflicht halten. Dies gilt übrigens auch für die Straßenverkehrsordnung. Eine Vollverschleierung beim Führen eines Kraftfahrzeuges oder der Verzicht auf einen Motorradhelm, ob beruflich oder privat, ist auch aus religiösen Gründen nicht erlaubt.

Religiöse Arbeitsverweigerungen fallen in der Regel ebenfalls zugunsten des Arbeitgebers aus. Im Jahr 2003 weigerte sich ein muslimischer Ladenhelfer alkoholische Getränke in die Regale einzusortieren, da sein Glaube ihm Umgang mit Alkohol verbiete. Das Bundesarbeitsgericht traf jedoch die Entscheidung, dass man diesem Mitarbeiter trotz seiner Religionszugehörigkeit die Aufgabe zumuten dürfte. In den USA kam es zu einem ähnlichen Fall, als eine muslimische Stewardess kein Alkohol mehr ausschenken wollte. Ein Urteil wurde hier jedoch noch nicht gefällt.

Ein Sonderfall bezüglich Religionsfreiheit, insbesondere der negativen Religionsfreiheit, am Arbeitsplatz nehmen übrigens die kirchlichen Arbeitgeber ein. Diese sind durch jüngste EuGH-Rechtsprechung, die das Individuum gegenüber dem Arbeitgeber stärken, in Aufruhr geraten. Inwiefern sich die Besonderheiten im kirchlichen Arbeitsrecht halten werden und ob dieses noch weitere Einschränkungen erfahren wird, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.  

Fazit: Endet Religionsfreiheit im Arbeitsalltag?

Sowohl staatliche als auch private Arbeitgeber können unter Berücksichtigung des Diskriminierungsverbots grundsätzlich Vorschriften bezüglich des Tragens religiöser Symbole machen. Im Streitfall zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezüglich Religionsfreiheit kommen Gerichte aktuell jedoch nicht um eine Einzelfallentscheidung herum.

*Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

Quellen:

Ärztezeitung

Bundesverfassungsgericht

Göttinger Rechtszeitschrift

Tagesschau