News

Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Tipps & Tricks zum Thema Gehalt, Karriere & Berufsleben
findest du im Stepstone Magazin
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Muslimische Frau sitzt, während ein Mann sie belästigt.

Sexistische Diskriminierung am Arbeitsplatz ist keine Seltenheit – im Gegenteil: Jede elfte berufstätige Person hat laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2019 bereits sexuelle Belästigung im Job erfahren. Frauen bilden mit anteilmäßigen 13 Prozent die Mehrheit aller Betroffenen, doch auch Männer gehören mit 5 Prozent dazu. Des Weiteren werden inter- und transgeschlechtliche, behinderte sowie Menschen mit Migrationshintergrund häufig Opfer sexueller Belästigung. Gegen eine solche Herabwürdigung vorzugehen, erfordert Mut, aber auch Kenntnis der eigenen Rechte: Welche Handlungen fallen eigentlich unter den Begriff sexuelle Belästigung? An wen können sich Beschäftigte oder Selbstständige wenden und welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu schützen?

Was versteht man unter sexueller Belästigung?

Ein anzüglicher Kommentar, eine vermeintlich zufällige Berührung oder gar absichtliche Bloßstellung – sexuelle Belästigung umfasst verbale Äußerungen sowie nonverbale oder körperliche Gesten und Handlungen. Darunter fallen unangemessene sexistische Bemerkungen, Witze oder Aufforderungen, als auch das Verschicken von unangebrachten Nachrichten oder Bildern und Aktionen wie Pfeifen, gezielte physische Annäherungen oder gar sexualisierte Übergriffe. Besonders Vorfälle, die als weniger extrem angesehen werden, spielen Täter und Täterin als Flirtversuch oder Kompliment herunter oder werden von Betroffenen als berufliches Risiko akzeptiert. Entscheidend ist nach § 3 IV AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) jedoch die objektive Wahrnehmung der belästigten Person, welche die Situation unerwünscht über sich ergehen lassen musste und dadurch in ihrer Würde verletzt ist. Dies belastet nicht nur das Arbeitsklima, sondern auch die psychische Verfassung der diskriminierten Person, was zu langfristigen und gesundheitlichen Schäden führen kann.

Übrigens ist es im Alltag nicht verboten, einer Frau offensichtlich auf die Brüste zu schauen. Im Arbeitsalltag fällt diese Handlung jedoch unter sexuelle Belästigung. Die verschärften Gesetze sollen Beschäftigte einen besonderen Schutz bieten, da die belästigte Person am Arbeitsplatz keine Möglichkeit hat, der belästigenden Person aus dem Weg zu gehen.

Aktuelle gesellschaftliche Lage

Ausgehend von der empirischen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind sexualisierte und geschlechterdiskriminierende Kommentare mit 62 Prozent die an der häufigsten stattfindenden Form sexueller Belästigung im Beruf. Danach folgen mit 44 Prozent nonverbale Ereignisse wie etwa Anstarren oder abwertende Gesten. 26 Prozent der 1.531 Befragten berichtet von unangebrachten physischen Interaktionen. Sexuelle Belästigung ist ein Massenphänomen und in allen gesellschaftlichen Schichten und Berufsgruppen präsent. Zu den widergesetzlich Handelnden gehören neben Kollegium und Vorgesetzten auch Patienten bzw. Patientinnen und Kundschaft. Besonders betroffen sind in diesen Fällen Personen, die im Gesundheits- und Sozialwesen tätig sind. Jedoch kommt es auch in den anderen Branchen zu Vorfällen. In die Opferrolle fallen neben den geschlechtsbedingten Gruppen zumeist unerfahrene Berufsanfänger, welche sich zum Beispiel noch in der Ausbildung oder Probezeit und somit in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden. Ein solcher Hintergrund ist für Betroffene eine zusätzliche Barriere, da die Arbeitnehmer häufig um ihre berufliche Zukunft fürchten oder nicht wissen, an wen sie sich im Betrieb wenden sollen.

Trotz alarmierender Zahlen ist sexuelle Belästigung noch immer ein Tabuthema und stark an gesellschaftliche Klischees und Vorurteile gekoppelt. Beispielsweise fällt es gerade männlichen Opfern schwer, sexuelle Grenzüberschreitungen zu offenbaren und dagegen vorzugehen. Zu einer positiveren Entwicklung dieses Dialogs trug die seit 2017 viral gehende #MeToo-Bewegung bei, durch welche sich Zeugen sexueller Belästigung und Gewalt bestärkt fühlten, ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Außerdem wurde im Zuge der #MeToo-Debatte in Deutschland die Vertrauensstelle Themis ins Leben gerufen, welche sich speziell an Opfer sexueller Belästigung und Gewalt in der Kultur- und Medienbranche richtet. Themis bietet für Beschäftigte und Selbstständige der Fernseh-, Theater- und Filmbranche, welche sexuelle Belästigung in ihrer Arbeit erfahren haben, Beratung und weiterführende Unterstützung an.

Was tun gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?

Maßnahmen zur Aufklärung, Beratung und Prävention sexueller Diskriminierung im Unternehmen sind vielerorts ausbaufähig oder überhaupt nicht vorhanden. Dabei befindet sich rechtlich gesehen jeder Arbeitgeber in einer Schutzpflicht gegenüber seinen Angestellten. Auch auf Arbeitnehmerseite mangelt es schlichtweg an Wissen über die eigenen Rechte. Betroffene wie auch Zeugen setzen sich daher gar nicht oder nur bedingt zur Wehr, obwohl es sich bei sexueller Belästigung zu 83 Prozent um Wiederholungstaten handelt. Konsequenzen sind beispielsweise der Verlust eines vertrauensvollen und partnerschaftlichen Umgangs im beruflichen Umfeld, ineinandergreifend mit ausbleibender Zusammenarbeit, verminderter Konzentration und Produktivität. Im Extremfall sehen sich Arbeitnehmer sogar gezwungen, aufgrund der Arbeitsverhältnisse bzw. der ständigen psychischen Belastung zu kündigen. Dies schadet wiederum der betrieblichen Leistungsfähigkeit sowie dem Ruf des Unternehmens.

Das sollten Arbeitnehmer wissen

Eines der Hauptprobleme ergibt sich dadurch, dass Beschäftigte in einem Betrieb ihre Rechte zum Teil überhaupt nicht kennen. Viele befürchten durch ein Ansprechen des Belästigungsvorfalls berufliche Nachteile oder trauen sich schlichtweg nicht, das Problem einer anderen Person zu schildern. An dieser Stelle ist jedoch zu erwähnen, dass § 16 AGG Angestellte in einem Unternehmen vor einer befürchteten Ungleichbehandlung schützt, wenn sie sich als Betroffene selbst beschweren oder als Zeugen für Mitarbeitende aussagen.

Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz haben außerdem nach dem Beschwerderecht (§ 13 AGG) einen Anspruch darauf, dass sich ihr Arbeitgeber mit dem Fall auseinandersetzt und die konkrete Situation überprüft. Kommt er dem nicht nach, muss er mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Wenn der eigene Vorgesetzte die belästigende Person ist, besteht immer noch die Möglichkeit, sich an dessen Chef zu wenden. Auch eine betrieblich eingerichtete Beschwerdestelle bzw. einen verantwortlichen Gleichstellungsbeauftragten oder der Betriebsrat sind mögliche Ansprechpartner im Falle einer sexuellen Belästigung. Auszubildende können auch die Gewerbeaufsicht oder die Berufskammer im Falle einer sexuellen Belästigung durch ihren Ausbilder bzw. ihrer Ausbilderin einschalten.

Werden vom Arbeitgeber keine oder ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung von Belästigung ergriffen und die Situation bleibt trotz einem zuvor geführten Gespräch unverändert, kann der Arbeitnehmer vom Leistungsverweigerungsrecht (§ 14 AGG) Gebrauch machen. Dies setzt voraus, dass die Arbeitgeber über die Belästigung informiert wurden und tatsächlich eine sexuelle Belästigung vorliegt. Die Leistungsverweigerung wird schriftlich mit Angaben der Gründe an den Arbeitgeber gegeben. Im Zweifelsfall ist es sinnvoll, sich rechtliche Unterstützung zu suchen. Zudem hat der Arbeitnehmer nach § 15 AGG ein Recht auf Schadensersatz, schließlich ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, seine Angestellten durch entsprechende Maßnahmen vor einer sexuellen Belästigung zu schützen. Die Höhe der Entschädigung ist abhängig von der individuellen Sachlage und kann ebenfalls ärztlich anfallende Kosten beinhalten. Vor Gericht wird ebenfalls jeder Einzelfall für sich abgehandelt und ein Urteil ausgehend vom vorliegenden Tatbestand getroffen.

Opfer sexueller Belästigung können sich jederzeit an das Hilfetelefon für Gewalt gegen Frauen, das Hilfetelefon für Gewalt an Männern sowie an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden, wo sie zusätzlich Beratung und Unterstützung erhalten.

Dass ein aktives Vorgehen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz maßgeblich zu einer Lösung des Problems beiträgt und der betroffenen Person sogar Respekt verschafft, veranschaulicht ein aktueller Fall in einem Krankenhaus in Hamburg. Eine Pflegerin wurde von einem Kollegen mehrfach verbal belästigt und ebenfalls mit körperlichem zu Nahekommen konfrontiert, woraufhin sie sich mit der Stationsleitung in Verbindung setzte und von einer Gleichstellungsbeauftragten Unterstützung erhielt. Sie konnte bewirken, dass der Kollege eine Abmahnung erhielt und sogar aus eigenem Antrieb kündigte.

Pflichten und Hinweise für Arbeitgeber

Der Arbeitgeber hat nicht nur eine Vorbildfunktion inne, sondern befindet sich auch in einer Schutzpflicht gegenüber den Beschäftigten. Konkret bedeutet das zum einen, dass er für präventive Schutzmaßnahmen sorgen muss, etwa die Bereitstellung von Informationen zum Thema Gleichbehandlungsgesetz und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz durch Schulungen oder einen betrieblichen Verhaltenskodex. Des Weiteren ist nach § 13 AGG eine Beschwerdestelle für Arbeitnehmer einzurichten, an welche sie sich mit ihrem Anliegen wenden können. Diese sollte vertrauenswürdig und objektiv sein und idealerweise über Ansprechpartner beider Geschlechter verfügen. Arbeitnehmer dürfen dabei keine Nachteile aufgrund einer von ihnen eingereichten Beschwerde erfahren. Die Handlungspflicht fordert den Arbeitgeber dazu auf, jeder Beschwerde ausnahmslos nachzugehen und eine individuelle Lösung zu finden. Diese kann im Extremfall auch eine Abmahnung, Versetzung oder Kündigung des belästigenden Mitarbeiters sein. Die Schutzverpflichtung greift ebenfalls bei einer Belästigung am Arbeitsplatz durch externe Personen wie Klienten und Patienten.

Außerdem kann es hilfreich sein, klare Vorgaben bezüglich der Handlungsschritte im Fall einer sexuellen Diskriminierung zu definieren sowie das Thema ganzheitlich anzugehen und sich als Arbeitgeber aktiv für Geschlechtergleichheit einzusetzen – beispielsweise durch die Beseitigung eines Gender-Pay-Gap mit dem Ziel, geschlechtsbedingte Machtverhältnisse zu verhindern. Der Arbeitgeber kann die Beschäftigten auch direkt miteinbeziehen und zum Beispiel durch Umfragen Vorschläge für vorbeugende Maßnahmen entgegennehmen oder sich ein Stimmungsbild vom bestehenden Arbeitsverhältnis verschaffen.

Ein Gerichtsurteil des letzten Jahres bestätigt, dass Vorfälle sexueller Belästigung am Arbeitsplatz unter keinen Umständen toleriert werden sollten: Ein langjährig beschäftigter Produktionsmitarbeiter belästigte eine Kollegin physisch wie auch verbal, als er dieser und anschließend sich selbst in den Schritt fasste und einen sexualisierten Kommentar äußerte. Die Arbeitgeberin kündigte dem Täter, welcher die Belästigung leugnete, fristlos, woraufhin er eine Kündigungsschutzklage einreichte. Diese wurde sowohl vom Arbeitsgericht Siegburg als auch vom LAG Köln aufgrund der Eindeutigkeit und den unzumutbaren Konsequenzen für das Arbeitsumfeld abgewiesen.

Aktuelle Stellenangebote als Gleichstellungsbeauftragte:

Bruttogehalt:
Durchschnittliches Bruttogehalt bei 40 Wochenstunden

Möglichkeiten des Betriebsrats

Nach § 17 AGG sowie dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) muss der Betriebsrat alle Beschäftigten eines Unternehmens schützen. Er ist verpflichtet, jegliche Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und kontrolliert den Arbeitgeber hinsichtlich der Wahrnehmung seiner Schutzpflicht. Der Betriebsrat überprüft regelmäßig, ob der Arbeitgeber erforderliche Maßnahmen ergreift. Beispielsweise muss er eine Beschwerdestelle einrichten und entsprechenden Beschwerden auch nachgehen. Außerdem gewährt der Betriebsrat durch seine Verschwiegenheitspflicht Mitarbeitern Anonymität vor dem Arbeitgeber, wenn dieser nicht über die Beschwerde in Kenntnis gesetzt werden soll. Ebenfalls ist der Betriebsrat dafür verantwortlich, zu Unrecht beschuldigte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu schützen und verfügt über Beteiligungsrechte in Bezug auf Arbeitgeberentscheidungen wie Versetzungen oder Kündigungen.

Maßnahmen zur Prävention und Aufklärung über sexuelle Belästigung im Arbeitsumfeld sowie die Kundmachung der Rechte von Betroffenen sorgen für einen stärkeren Zusammenhalt unter Beschäftigten sowie ein sicheres und wertvolles Gefühl am Arbeitsplatz. Dies trägt maßgeblich zu einer positiven und leistungsstarken Unternehmenskultur bei, zu welcher Arbeitgeber und Arbeitnehmer in eigenem sowie gesamtgesellschaftlichen Interesse beisteuern sollen und müssen.

Quellen:

Antidiskriminierungsstelle

Beck-Online

Destatis

Arbeitsrechte.de

Kwb.de.

Macht-immer-Sinn.de

Welt

Stärker-als-Gewalt.de

 

Autorin: Antonia Grübl