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Ländervergleich UK: Arbeit, Gehalt und Leben in Großbritannien und Nordirland

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London bei Nacht

Rule, Britannia? Das Vereinigte Königreich, bestehend aus England, Schottland, Wales und Nordirland, hat seine große Zeit als weltumspannendes Empire zwar hinter sich. Dennoch ist der Inselstaat im Westen eine mächtige Wirtschaftsnation, die drittgrößte in Europa – nicht zuletzt durch die Metropole London mit ihrem wichtigen Finanzsektor. Seit dem Beschluss, per „Brexit“ die Europäische Union zu verlassen, sind große Fragen offen: Wie genau wird der Ausstieg vonstattengehen? Was wird sich ändern im Verhältnis zur EU? Können Arbeitnehmer aus der Union auch nach dem Brexit einer Tätigkeit in Großbritannien und Nordirland nachgehen? Und wenn ja, unter welchen Umständen?

Schon jetzt sind einige Dinge jenseits der Nordsee fundamental anders als in Deutschland. Doch eine Weile in UK zu arbeiten, das ist gerade für gut ausgebildete Deutsche naheliegend. Der starke Londoner Finanzplatz zum Beispiel, die geringe Sprachbarriere – sofern man Englisch ausreichend beherrscht – diese und andere Faktoren locken Menschen auf die Britischen Inseln.

Kennzahlen: Arbeiten im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland

  • Einwohnerzahl: 65,1 Mio.
  • Währung: Pfund Sterling (GBP)
  • Durchschnittlicher Verdienst: ca. 29.000 Pfund Sterling (33.100 €) brutto im Jahr (monatlich 2.760 € umgerechnet auf 12 Monate)
  • Gehaltsbestandteile: (brutto und netto) Grundgehalt plus variable Gehaltsbestandteile. Die Sozialabgaben (National Insurance, NI) sind im Vereinigten Königreich deutlich niedriger als in Deutschland und betragen für Arbeitnehmer zwischen 0 und 12 % des Bruttogehalts, je nach Einkommenshöhe und -klasse. Arbeitgeber bezahlen ebenfalls einen Anteil. Bestandteile der Sozialversicherung sind die Bereiche Arbeitslosigkeit, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten, Mutterschaft, Witwenschaft und Renten. Auch Selbstständige zahlen in UK in die Sozialversicherung ein, allerdings mit niedrigeren Beitragssätzen.
  • Steuersatz/Steuersystem: Das sogenannte „Pay as you earn“-Prinzip (PAYE) bewirkt, dass die Einkommensteuer direkt einbehalten wird. Der Steuerfreibetrag liegt bei 11.500 GBP jährlich, erst oberhalb davon werden Steuern fällig. Diese ist in drei Einkommensteuersätze geteilt (in Schottland gelten allerdings leicht andere Sätze):
    - 20 % (bei Jahreseinkommen zwischen 11.500 und 45.000 GBP)
    - 40 % (bei Jahreseinkommen zwischen 45.000 und 150.000 GBP)
    - 45 % (bei Jahreseinkommen über 150.000 GBP)
    Arbeitnehmer müssen nur im Falle von komplexen Einkommensverhältnissen ihre Steuererklärung bei der Zoll- und Finanzbehörde HMRC einreichen.
  • Krankenkasse & Co: Das britische Gesundheitssystem unterscheidet sich fundamental vom deutschen. Krankenversicherungen im eigentlichen Sinne gibt es nicht, stattdessen wird die gesundheitliche Grundversorgung durch den National Health Service (NHS) geleistet. Der NHS ist steuerfinanziert, weswegen die Arbeitnehmer keine Beiträge zur Krankenkasse leisten müssen. Dafür sind allerdings die Wartezeiten auf Arzttermine oft lang und eine Menge Leistungen wie Medikamente, Zahnbehandlungen und Brillen sind gebührenpflichtig. Geringverdiener erhalten unter Umständen Zuschüsse zu den Gebühren. Wichtig: Der NHS gilt auch – noch – für EU-Bürger mit Lebensmittelpunkt in Großbritannien und Nordirland.
  • Rente: Die Briten dürfen mit 65 Jahren in Rente gehen, die Britinnen sogar mit 62,5 Jahren. Wer mindestens 55 Jahre alt ist (im Falle einer Erkrankung auch früher), kann in den Vorruhestand gehen und anteilig Rente beziehen. Die Höhe der Rente hängt dann davon ab, wie lange und wie viel man in die National Insurance eingezahlt hat.
  • Babypause/Elternzeit: Insgesamt können Eltern im Vereinigten Königreich bis zu 52 Wochen Erziehungsurlaub nehmen, der für die Mutter frühestens elf Wochen vor dem Stichtag der Geburt beginnen kann. Die zwei Wochen nach der Geburt des Kindes haben Mütter Arbeitsverbot, Fabrikarbeiterinnen sogar vier Wochen. Die Partner können sich für diese zwei Wochen in der Regel freinehmen.
    Nach der Geburt gibt es für Mütter sechs Wochen lang 90 % ihres vorherigen Gehalts, anschließend zahlen die Arbeitgeber noch bis zu 33 Wochen weiter – allerdings nur bis zu 560 GBP im Monat. Die Elternzeit kann in Blöcke aufgeteilt und von beiden Partnern abwechselnd genommen werden.
  • Zahlweise Gehalt: In der Regel monatlich oder wöchentlich als Überweisung aufs Bankkonto.
  • Wochenarbeitszeit: Bis zu 48 Stunden wöchentlich dürfen Angestellte in UK arbeiten. Üblich ist die 37,5-Stunden-Woche.
  • Urlaubsanspruch im Jahr: mindestens vier Wochen. Dazu gibt es acht Feiertage, die allerdings nicht unbedingt bezahlte freie Tage sind. Die meisten Arbeitgeber geben ihren Angestellten allerdings frei. Fällt ein Feiertag aufs Wochenende, wird dieser am folgenden Wochentag nachgeholt.
  • Arbeitspausen: Arbeitnehmer haben bei mehr als 6 Stunden Arbeit das Recht auf eine ununterbrochene Pause von 20 Minuten. Zwischen zwei Arbeitstagen soll 11 Stunden geruht werden, dazu kommt der Anspruch auf 24 Stunden arbeitsfrei pro Woche oder eine ununterbrochene 48-Stunden-Pause (ein Wochenende) alle zwei Wochen.

UK im Ländervergleich

Im einstigen Mutterland der industriellen Revolution ist die Schwerindustrie noch immer ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, vor allem in den Midlands rund um Birmingham, der zweitgrößten Stadt in UK. Auch Wales ist industriell geprägt. Innerhalb dieses Sektors zählt die Automobilindustrie zu den zentralen Branchen, auch wenn die traditionellen britischen Fahrzeugbauer wie Rolls-Royce, Jaguar oder Vauxhall inzwischen in ausländischer Hand sind. Grundsätzlich sinkt die Bedeutung der Industrie auf den Inseln weiter und Bergbau, Schiffbau, Chemie, Textilindustrie sowie verwandte Branchen verlieren an Relevanz für die britische Wirtschaft. Stark subventioniert, aber in hohem Maße effizient ist die Landwirtschaft in UK. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt allerdings weniger als ein Prozent.

Der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig in Großbritannien und Nordirland ist der Dienstleistungssektor (rund 80 % des BIP), im Besonderen das Versicherungs- und Bankenwesen. Die City of London – oft synonym für den wichtigsten Finanzplatz Europas verwendet – ist der wirtschaftliche Motor des Vereinigten Königreichs. Entsprechend sind die Einkommen wie auch die Lebenshaltungskosten in der Themse-Metropole wesentlich höher als in den restlichen Teilen des Landes, London ist tatsächlich die teuerste Stadt Europas. Wichtige wirtschaftsstarke Regionen in UK sind Glasgow und Edinburgh in Schottland. Auch hier dominieren Finanz- und Versicherungswesen.

An Bedeutung für die britische Wirtschaft gewinnen überdies die Branchen Forschung und Technologie, nicht zuletzt an renommierten Universitätsstandorten wie Cambridge oder Oxford. Dazu kommt der Tourismussektor als wichtiger Wirtschaftszweig. Mehr als 27 Millionen Gäste besuchen die Inseln jedes Jahr, sie belegen Platz 6 auf der Rangliste der beliebtesten Reiseziele der Welt. Gerade das wirtschaftlich schwächere Nordirland profitiert vom Fremdenverkehr.

Stichwort Lebenshaltung: Nicht nur in London, auch im restlichen UK zahlt man für das Meiste etwas mehr als in Deutschland. In London haben die Mietpreise eine astronomische Höhe erreicht, auch viele Briten können sich das Wohnen in der Hauptstadt nicht mehr leisten. Allerdings ist die Bereitschaft, Wohneigentum zu erwerben, deutlich höher als hierzulande.

Großbritannien und Nordirland sind wie Deutschland stark vom Außenhandel abhängig. Allerdings importieren die Briten mehr als sie exportieren. Die wichtigsten Handelspartner sind die USA, Deutschland, China, die Niederlande und Frankreich – kurzum, ein enges Verhältnis zur Europäischen Union bleibt essenziell für das Vereinigte Königreich.

Arbeitsmarkttrends in Großbritannien und Nordirland

Wesentlich geprägt ist die heutige Ökonomie des Vereinigten Königreichs durch die Regierungszeit von Premierministerin Margaret Thatcher (1979-1990), die den Arbeitsmarkt liberalisierte und deregulierte, den Wohlfahrtsstaat abbaute und die Gewerkschaften schwächte. Eine Frucht dieser freiheitlichen Wirtschaftsordnung: Die Arbeitslosigkeit beträgt nicht mal fünf Prozent, im Norden Englands sowie Schottland, Wales und Nordirland ist sie allerdings deutlich höher als rund um London. Und nicht wenige Arbeitnehmer sind im Niedriglohnsektor beschäftigt. Daher wurde 1997 durch die Labour Party, der größten britischen Arbeiterpartei, ein Mindestlohn auf ähnlichem Niveau wie in Deutschland eingeführt. Der Mindestlohn ist nach Alter gestaffelt, für die meisten Arbeitnehmer liegt er bei 7,83 GBP pro Stunde (8,96 €).

Was Bewerbungen betrifft, so gelten in UK andere Regeln als in Deutschland. Zeugnisse bei einer Bewerbung mitzuschicken ist unüblich, stattdessen werden Referenzen und Fürsprecher genannt. Studien- oder Berufsabschlüsse haben einen geringeren Wert als hierzulande, Berufserfahrung steht wesentlich höher im Kurs. Um Diskriminierung in dem traditionellen Zuwandererland vorzubeugen, werden persönliche Daten wie Geburtsdatum, Geburtsort oder Geschlecht in Lebensläufen in der Regel nicht angegeben. Auch Bewerbungsfotos sind unüblich.

Welche Berufe sind in UK gefragt?

Die wichtigsten Branchen in Großbritannien und Nordirland sind:

Gefragt sind im Vereinigten Königreich derzeit unter anderem folgende Berufe, neben dem Bankensektor vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen:

Deutsche Arbeitnehmer haben mit entsprechenden Englischkenntnissen generell gute Chancen. Die besten Aussichten für Deutschsprachige gibt es bei Unternehmen, die mit dem wichtigen Wirtschaftspartner Deutschland kooperieren.

Schulsystem und Ausbildung in Großbritannien und Nordirland

Die Schulbildung in UK teilt sich auf wie folgt:

  • Primary School (Grundschule) für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren, aufgeteilt in Infant School (bis sieben Jahre) und Junior School (bis elf Jahre)
  • Comprehensive School (Gesamtschule) mit breitgefächertem Unterricht. Mit 16 Jahren legen Schüler die Reifeprüfung für das General Certificate of Secondary Education (GCSE) bzw. Standard Grades (in Schottland) ab.
  • Six Form College (nur England und Wales), Tertiary College oder College of Further Education für Schüler ab 16 Jahren bei entsprechender Qualifikation. Diese schließen mit dem A-level ab, das mit dem deutschen Abitur vergleichbar ist.

Die weiterführenden Schulen in UK sind größtenteils staatlich, darüber hinaus gibt es sogenannte unabhängige Schulen, deren Besuch Schulgebühren kostet. (Duale) Berufsausbildungen wie in Deutschland werden in Großbritannien und Nordirland nicht angeboten, Betriebe bilden nach eigenen Vorstellungen aus.

Wer studieren möchte, besucht im Vereinigten Königreich eine der zahlreichen Universitäten oder ein College of Higher Education. Die Studiengebühren sind nicht einheitlich und hängen von der Herkunft der Studierenden ab. Home Students zahlen weniger als Oversea Students bzw. internationale Studierende. Bis zu 3.000 GBP pro Studienjahr werden verlangt, diese können allerdings auch rückwirkend nach dem Studium gezahlt werden.

Arbeiten im Vereinigten Königreich: Fazit & Aussicht auf den Brexit

Bei Finanzexperten in ganz Europa gehört es (noch) zum guten Ton, eine Weile in London gearbeitet zu haben. Auch der Wissenschaftsstandort UK lockt(e) Forscher aus ganz Europa auf die Insel. Die Industrien, für die gerade England einst bekannt war, spielen hingegen nur noch eine untergeordnete Rolle. Und die Arbeiterschaft ist, gebrochen durch den Thatcherismus, großteils ihrer Kräfte beraubt.

Wie wird es weitergehen? Seit sich die Bevölkerung Großbritanniens und Nordirlands in einer knappen Abstimmung für einen Austritt aus der Europäischen Union entschied, herrscht Unsicherheit in ganz Europa und nicht zuletzt bei den Briten selbst. Laut Premierministerin Theresa May werden die rund 3,2 Millionen EU-Bürger allerdings auch nach dem Brexit, der 2019 vollzogen werden soll, im Vereinigten Königreich bleiben dürfen. Doch schon jetzt hat die Anzahl der Einwanderer auf den Inseln drastisch abgenommen – ein Fachkräftemangel droht. Zwar ist die britische Wirtschaft 2017 noch um 1,8 % gewachsen und damit mehr als erwartet, aber das Wirtschaftswachstum blieb hinter dem in der Euro-Zone zurück. Ein Vorbote auf das, was da kommt? Das schwache Pfund und steigende Preise für Verbraucher bringen möglicherweise noch stärkere Probleme mit sich, auch für den Arbeitsmarkt.

Die Hürden für Arbeitnehmer aus der EU werden mit dem Brexit gewiss noch höher. So dürften auch für Menschen aus der Europäischen Union ein Visum und eine Arbeitsgenehmigung in UK notwendig werden, was bisher nicht der Fall ist. Auch gesamtwirtschaftliche Umwälzungen sind denkbar, beispielsweise eine Abwanderung der international operierenden Banken aus der City of London mit allen negativen Folgen für den Arbeitsmarkt. Noch allerdings ist vieles im Unklaren, denn die Verhandlungen der britischen Regierung mit der Europäischen Union über die genauen Konditionen einer künftigen Partnerschaft dauern an. Fest steht: Ohne die EU wird es für das Vereinigte Königreich nicht gehen.

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Quellen:

Britische Botschaft Berlin
Focus Online
Germany Trade & Invest
Gov.uk
Handelsblatt
iXPOS
Just Landed
Karriere.de
Office for National Statistics
ZEIT Online